Neue Richtlinie muss Frauenhäuser stärken statt schwächen

Das Autonome Frauenhaus in Oldenburg – seit 2003 das einzige Frauenhaus in Oldenburg – arbeitet seit Jahren am Limit. Im vergangenen Jahr konnten fast 200 Frauen und über 300 Kinder nicht aufgenommen werden. In den Jahren zuvor lagen die Zahlen in einem ähnlich dramatischen Bereich. Ähnlich geht es den meisten Frauenhäusern in Niedersachsen. Das Land plant nun eine neue Förderrichtlinie für Frauenhäuser, die zum 1.1.2022 in Kraft treten soll. Doch statt endlich die Situation der Frauenhäuser in Niedersachsen zu verbessern, wird die von der Landesregierung geplante Reform ihre Arbeit weiter erschweren.

Der Entwurf sieht unter anderem vor, verschiedene Pauschalen zu einer Sockelbetragsfinanzierung umzustellen, was voraussichtlich sogar zu einer Reduktion der Landesförderung führt. Für viel Aufmerksamkeit und Ärger hatte auch die Information gesorgt, dass das Ministerium explizit eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer der gewaltbetroffenen Frauen von maximal drei Monaten in die Richtlinie aufnehmen will. Auf Anfrage der frauenpolitischen Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, Imke Byl, erklärte das Ministerium, dass dies als bloßer Richtwert zu verstehen sei (Beantwortete Anfrage im Anhang). „Die in der Antwort der Landesregierung genannte durchschnittliche Aufenthaltsdauer von 1,3 Monaten ist wenig aussagekräftig, denn sie ignoriert die völlig unterschiedlichen Situationen, aus denen die Frauen und Kinder ins Frauenhaus kommen“ ergänzt Susanne Menge. „Gerade in Oldenburg ist die Wohnungssituation sehr angespannt, eine 3-Monats-Angabe setzt die Frauen unnötig unter Druck.“

Susanne Menge, regionale Abgeordnete aus Oldenburg, hält den Richtlinienentwurf für völlig unzureichend: „Die Frauenhäuser sind weiter gezwungen, einen Mangel an Plätzen und Unterstützungsmöglichkeiten zu verwalten. Denn die Landesregierung vergibt die Möglichkeit mit der neuen Förderrichtlinie Frauenhäuser wie das in Autonome Frauenhaus in Oldenburg zu stärken statt zu schwächen.“ Für ein bedarfsgerechtes Gewaltschutznetz brauchen sie endlich eine angemessene finanzielle Ausstattung – das fordert auch die Istanbul-Konvention. Deutschland hat sich mit der Unterzeichnung verpflichtet, auf allen staatlichen Ebenen Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen sowie Schutz und Hilfe zu gewähren.

Susanne Menge hält dafür eine Erhöhung der Landesförderung um mindestens 2,3 Mio. Euro für notwendig. „Die Landesregierung hat allerdings nur eine minimale Erhöhung von 230.000 Euro vorgesehen“, stellt MdL Menge fest. „Das wird voraussichtlich nicht einmal die gestiegenen Lohn- und Fixkosten ausgleichen. Die Förderung bleibt damit bis voraussichtlich 2026 nahezu auf dem Niveau von 2016“, so Susanne Menge.

Unser Frauenhaus hat nicht nur in der Pandemie Unglaubliches geleistet. Dass jetzt mit dem Verweis auf die drei Monate so viel Verunsicherung geschaffen wird, ist für mich nicht nachvollziehbar und geht an der Lebensrealität der betroffenen Frauen vorbei. Selbst wenn das Ministerium recht behalten sollte und es keine Auswirkungen in der Praxis geben wird, verpasst die Landesregierung eine extrem wichtige Chance, die niedersächsischen Frauenhäuser zu stärken. Sie verhindert für hunderte Frauen in Niedersachsen den Zugang zu Hilfsangeboten in besonders schweren Lebenslagen.”